Jugendgerechte Betreuung statt
geschlossener Unterbringung

Im Juni 2015 hat der Flüchtlingsrat Bremen zusammen mit dem Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit (AKS), dem Institut BISA+E und in Kooperation mit dem Bremer Bündnis Soziale Arbeit einen Fachtag zum Thema „geschlossene Unterbringung“ von minderjährigen Flüchtlingen veranstaltet. Weitere Informationen zur öffentlichen Debatte, Stellungnahmen und Einschätzungen finden Sie hier.

Über 100 Fachkräfte aus dem Bereich Soziales, Jugend, Familie, Migrations- und Flüchtlingsberatung, Ehrenamtliche und Interessierte haben an Fachvorträgen (u.a. von Prof. Frank Bettinger) und Workshops teilgenommen.
Als Ergebnis ist diese gemeinsame Erklärung entstanden, die sich gegen eine geschlossene Unterbringung richtet und stattdessen verschiedene Forderungen zur Verbesserung der Betreuung formuliert.

Bremer Erklärung 2015

Die unterzeichnenden Institutionen und Personen fordern die politisch Verantwortlichen in Bremen auf, ihre Haltung bezüglich geschlossener Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe von jungen Menschen grundsätzlich zu revidieren und sich in der Folge dahingehend zu engagieren, dass es keine geschlossene Unterbringung und keine Separierung von ethnisch erfassten Minderjährigen geben wird.

Wir fordern die politisch Verantwortlichen nachdrücklich dazu auf, Jugendlichen mit Fluchterfahrung eine bedarfsdeckende, spezialisierte und an den fachlichen Erfordernissen orientierte Jugendhilfelandschaft bereitzustellen. Hierbei sind Erfahrungen, fachliche Standards und wissenschaftliche Erkenntnisse der Profession Erziehungswissenschaften/Sozialpädagogik handlungsleitend zu berücksichtigen. Jugendliche in besonders schwierigen Lebenslagen brauchen  auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene, differenzierte Angebote mit einem deutlichen Schwerpunkt auf integrative Ansätze – diese sind umgehend zu schaffen.
Kriegs- und/oder Missbrauchserfahrung, Vertreibungsschicksale, Ausbeutung, Gewalterfahrung, sozio-kulturelle Entwurzelung der minderjährigen Schutzsuchenden sind in der adäquaten und individuellen Hilfeplanung zu berücksichtigen.
Sie brauchen unsere engagierte multiprofessionelle Unterstützung!

Wir fordern die Verantwortlichen in Politik und Behörden des Weiteren auf:

1: Altersfestsetzung ausschließlich gemäß der Angaben der Jugendlichen!

Aufgrund fehlender fachlich anerkannter Methodik zur Alterseinschätzung und zur Vermeidung
von individueller oder „politischer“ Einflussnahme.

2: Keine Umverteilung nach Königsteiner Schlüssel!

Berücksichtigung der fehlenden Mitsprache der Jugendämter und verlässlicher und qualitativ angemessener Plätze zur Inobhutnahme und Unterbringung!

3:  Jugendgerechte Unterbringung und Betreuung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nachhaltig und langfristig einrichten!

Errichten Sie ein umfassendes Clearingverfahren für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, um gravierende psychische Folgen, etwa die Reaktivierung von Traumata, der Betroffenen zu vermeiden! Gewährleisten Sie die Rechtsansprüche auf angemessene Betreuungsschlüssel, qualifiziertes Personal und Zugang zu Bildung, Ausbildung und Spracherwerb der Jugendlichen.

Ermöglichen Sie:

  • Unmittelbare Inobhutnahme aller UMF und jugendhilfegerechte Unterbringung
  • sofortige bedarfsgerechte Beschulung für alle UMF
  • individualpsychologische Förder- und Hilfeplanung, einzelfallbezogene Hilfen (flexibel und bedarfsgerecht) und adäquat ausgestattete Angebote
  • adäquate personelle, finanzielle Ausstattung von unabhängigen aufenthaltsrechtlichen Beratungsstellen und therapeutischen Einrichtungen, wie REFUGIO
  • bessere aufenthaltsrechtlichen Perspektiven und vernünftige Bildungskonzepte für alle
  • Schaffung von ausreichendem jugendgerechtem Wohnraum
  • Schlüsselfunktionen nicht mit Ehrenamtlichen zu besetzen
  • geschlechtsspezifische Angebote für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
  • Schaffung von institutioneller Förderung spezialisierter Freizeitangebote für junge Geflüchtete
  • Qualitätssicherung der Arbeit und der Profession in der und für die Arbeit mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen
  • mittel- und langfristige Planung auf der Grundlage des zu erstellenden Berichts zur Lage der Jugendlichen im Land Bremen

ErstunterzeicherInnen:   

Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit (AKS), Flüchtlingsrat Bremen, Bremer Bündnis Soziale Arbeit (BBSA), effect gGmbh, Fluchtraum Bremen e.V., Flüchtlingsinitiative Bremen e.V., Bremer Institut für Soziale Arbeit und Entwicklung (BISA+E), FB 12 der Universität Bremen (Erziehungs- und Bildungswissenschaften), BDP Bremen / Niedersachsen, Grüne Jugend Bremen, Jugendhaus Buchte, Naturfreundejugend Bremen, BUMF (Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge), Flüchtlingsrat Hamburg, Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit Bremen e.V.,
Dr. phil. Reyhan Sahin (Linguistik, Gender und Islam Studies, Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung), Hans-Bredow-Institut, Asien-Afrika-Institut (Flügel Ost) der Universität Hamburg, Studiengang Soziale Arbeit der Hochschule Bremen, GEW-Bremen, DGB Jugend Bremen-Elbe-Weser, DIE LINKE Bremen, Kriminalpolitischer Arbeitskreis Bremen (kripak), Blockupy Bremen, Verein für Innere Mission Bremen, Forschungsverbund „Konstellationen von Zwang und Gewalt in stationären Hilfesettings“ an der Universität Duisburg-Essen-Fakultät für Bildungswissenschaften, Flüchtlingsrat NRW, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt, Bremer Friedensforum, Verein für Rechtshilfe im Justizvollzug des Landes Bremen e.V., Strafvollzugsarchiv FH Dortmund

Einzelpersonen:

Olaf Emig (Sozialarbeiter + Dipl. Kriminologe), Lydia Bettinger, Prof. Dr. Frank Bettinger, Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch, Jens Oldenburg (Oberschule Sandwehen),  Jessica Balthasar (Oberschule Osterholz), Margot Röben (Oberschule  Lesum), Jörg Grimm (Oberschule Lerchenstr.), Bozena Longowski (Oberschule K.), Philip Martell (Rechtsanwalt), Thomas Horn (Sozialpädagoge, privat), Kai Kaufmann (Soz.-Päd. privat),  Jürgen Vogt (Soz. -Päd. privat), Carolin Bischoff (Leitung des Übergangswohnheims Andernacher Str. in Tenever in Trägerschaft der Inneren Mission), Monique Paladino, Prof. Dr. Michael Lindenberg, Mark Birnstiel, Nina Markovic (kripak), Kristina Vogt (kripak), Christine Graebsch (kripak), Christina Lederer (kripak), Rolf Gössner (kripak), Marco Lund (kripak), Axel Janzen (kripak), Elke Bahl (kripak), Erich Joester und Thomas Becker (Rechtsanwälte und Notare), Prof. Dr. Reinhold Schlothauer (Rechtsanwalt), Dr. iur. habil. Helmut Pollähne (Rechtsanwalt), Wolfgang Müller-Siburg (Rechtsanwalt), Temba Hoch (Rechtsanwalt)

Die Erklärung digital: Bremer Erklärung 2015.