Radio Bremen stellt Menschenrechte zur Diskussion

Radio Bremen hat heute die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, deren Kontext und Fragen auf die Entrechtung von geflüchteten Bremer*innen hinauslaufen. Wir finden: Entrechtung und Rassismus sind keine Meinung!

Ende Oktober hat Radio Bremen im Format „Meinungsmelder“ Bremer*innen dazu aufgefordert, sich zu „Bremens Asyl-und Migrationspolitik“ zu äußern. Allerdings richtet sich die Umfrage den Fragen nach nicht an alle Bremer*innen. Zwei Perspektiven werden ausgeblendet: Die von betroffenen Bremer*innen und jede Kritik aus menschenrechtlicher Perspektive.

Statt dessen wird den Teilnehmer*innen die Perspektive „besorgter Bürger“ angeboten, die auf der Grundlage von Bedrohungsgefühlen und falschen bis halbgaren Informationen mal eben zu Hause oder in der Straßenbahn am Tablet oder Smartphone den Daumen heben oder senken sollen, wenn es darum geht, Menschen aus ihrem Lebensmittelpunkt zu reißen, von ihrer Familie zu trennen und/oder in politisches, ökonomisches oder soziales Elend abzuschieben.

Kritik an der restriktiven und menschenrechtsverletzenden Migrationspolitik, die sich ja gegen konkrete Menschen richtet, hat in der Umfrage keinen Platz. Geflüchtete Bremer*innen kommen in den Fragen fast nur als Gegenstand von restriktiven Maßnahmen vor. Bremer*innen, die in einer Unterkunft für Geflüchtete wohnen, erhalten zum Beispiel nicht die Möglichkeit die Bedingungen dort oder das Fehlen des sozialen Wohnungsbaus zu kritisieren.

Das nun vorliegende Ergebnis, die Unzufriedenheit der „Meinungsmelder“ mit der „Bremer Politik“ (die aktuelle Entrechtungsdiskussion dreht sich übrigens um Bundesgesetze), macht deutlich, dass Radio Bremen sich mit dieser Umfrage an der eskalierenden Verschiebung der öffentlichen Diskussion in den Bereich rechts der Gültigkeit von Menschenrechten, rechts von Sozial- und Rechtsstaatlichkeit beteiligt hat. Schon minimale Recherche hätte zum Ergebnis führen müssen, dass die aktuelle Entrechtungsdiskussion kein reales gesellschaftliches Problem adressiert, sondern aus rechten Parolen besteht, die es in ein Gesetzgebungsverfahren geschafft haben.

Nazanin Ghafouri ordnet die „Optionen“ der Umfrage für den Flüchtlingsrat ein. „‘Konsequentere Abschiebungen’ bedeutet konkret noch mehr unverhältnismäßig rechtswidrige Abschiebungen, noch mehr Haft ohne Straftat und keinerlei privater Wohnraum mehr. ‚Kein Bargeld‘ bedeutet die vorsätzlich verfassungswidrige Vorenthaltung von Menschenwürde; ‚Sicherung der EU-Grenzen‘ bedeutet über Leichen zu gehen“, so Ghafouri.

Der Flüchtlingsrat hat das verantwortliche Programm-Management schon vor der Veröffentlichung des Ergebnis darauf hingewiesen, dass die Fragen einen rassistischen Diskurs befeuern:

Die zentrale Frage ’Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik im Land Bremen?’ kann gar nicht rassismuskritisch beantwortet werden. Wer sie mit „überhaupt nicht“ beantwortet, wird im Kontext der Umfrage als Befürworter*in einer noch stärker entrechtenden Politik verstanden. Radio Bremen macht damit z. B. aus der kommunalpolitischen Aufgabe ’Wie kann erreicht werden, dass alle Bremer*innen menschenwürdig wohnen?’ eine Frage von Asyl und Migration und lässt damit nur für restriktive Antworten Raum.

Auch die Frage ’Wie gelingt aus Ihrer Sicht in Bremen zum jetzigen Zeitpunkt…… die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und Asylbewerberinnen?’ gibt vor, möglichst viele Abschiebungen seien rechtsstaatlich, legitim und erstrebenswert. Die Redaktion weiß (oder muss wissen), dass Asylverfahren systematisch Ablehnungen produzieren, die in den Fällen in denen es zu gerichtlicher Überprüfung kommt, regelmäßig korrigiert werden. Die Redaktion weiß auch, dass in Asylverfahren nur ein Teil der vielfältigen Flucht- und Bleibegründe geprüft wird. Sie weiß, dass sie über eine Gruppe von Menschen spricht, für die vielfach trotz abgelehntem Asylantrag (rechtliche, tatsächlich, gesundheitliche) Abschiebeverbote oder- hindernisse bestehen. In diesem Kontext zu fragen, ob die Abschiebung dieser Menschen „eher gut“ gelingt, ist kein Flüchtigkeitsfehler, sondern Stimmungsmache.

Am Ende der Umfrage stellte Radio Bremen den Befragten mehrere politische Forderungen zur Auswahl, die verfassungswidrig sind („kein Bargeld“) bzw. erfahrungsgemäß und empirisch belegt direkt zum Tod von Menschen führen („EU-Außengrenzen stärker sichern“, „Migration begrenzen“). Forderungen die sich an der Verwirklichung von Menschenrechten orientieren, kommen nicht vor.

Programmdirektor Weyrauch rechtfertigt diese Aufrufe zur Missachtung von Menschenrechten damit, es würden die Themen aufgegriffen, die die Menschen bewegen. „Der RB-Programmdirektor verweigert mit seiner Rechtfertigung die redaktionelle und journalistische Verantwortung für die aus unserer Sicht tendenziösen Fragen und manipulativen Antwortoptionen, die dazu geeignet sind, menschenrechtsfeindliche und rassistische Ressentiments zu reproduzieren und zu verstärken“, so Ghafouri.

Der Flüchtlingsrat hat deshalb auch den Rundfunkrat darum gebeten, die Umfrage zu rügen.