Informationen und rechtliche Erläuterungen für Mitarbeitende in Sammelunterkünften für Geflüchtete
Frage:
Dürfen Mitarbeitende der Übergangswohnheime Daten von Bewohner*innen ihrer Unterkünfte an die Polizei weitergeben, um diese bei der Durchführung von Abschiebungen aktiv zu unterstützen?
Antwort: Nein.
Grundsätzlich dürfen erhobene und gespeicherte Daten nur zu dem Zweck verwendet und weitergegeben werden, zu dem sie erhoben wurden (Art. 6 DSGVO). Die Daten, die in Übergangswohnheimen erhoben und verarbeitet werden, dienen der Verwaltung und Organisation der Unterbringung. Es fehlt also insoweit an einer Rechtsgrundlage, solche Daten an Dritte, einschließlich der Polizei oder den Ausländerbehörden, weiterzugeben. Entsprechend sehen die Unterlagen zur Software BQM (BewohnerQuartiersManagement) laut der Bremischen Landesbeauftragten für Datenschutz auch keine Datenübermittlung an Dritte vor.
Ebenso grundsätzlich unterliegen Mitarbeitende der Sozialen Arbeit der sich aus dem Schutz von Privatgeheimnissen ergebenden beruflichen Schweigepflicht (§ 203 Absatz 1 StGB), die sich auch auf Mitarbeitende erstreckt, die selbst keine staatlich anerkannten Sozialarbeiter*innen sind (§ 203 Abs. 4 StGB).
Die Sozialbehörde sieht in § 68 Abs. 1 SGB X eine Rechtsgrundlage zur Weitergabe von Sozialdaten an die Polizei. Allerdings erklärte das Sozialressort selbst im Oktober 2018 gegenüber der Landesbeauftragten für den Datenschutz, dass nur zwei Mitarbeitende der Zentralen Aufnahmestelle (ZASt) unter bestimmten Umständen berechtigt wären, auf dieser Grundlage Daten an die Polizei weiterzugeben. Auch die Senatorin für Soziales hat also inzwischen unsere Einschätzung übernommen, dass Mitarbeitende der freien Träger keine Daten aus BQM an die Polizei weitergeben dürfen.
Frage:
Dürfen Mitarbeitende der Sicherheitsdienste („Security“) Daten von Bewohner*innen ihrer Unterkünfte an die Polizei weitergeben, um diese bei der Durchführung von Abschiebungen aktiv zu unterstützen?
Antwort: Nein.
Zunächst ist fraglich, weshalb Mitarbeitende der Sicherheitsdienste überhaupt Zugriff auf Daten der Bewohner*innen haben sollten. Soweit dies zum Zweck der Evakuierung im Brandfall o.ä. geschieht, dürfen die übermittelten Daten auch nur zu diesem Zweck verwendet werden.
Frage:
Dürfen oder müssen Mitarbeitende der Unterkünfte oder Mitarbeitende der Sicherheitsdienste der Polizei Zutritt zu den privaten Räumen der Bewohner*innen verschaffen?
Antwort: In der Regel nicht.
Räume in Sammelunterkünften unterliegen dem Schutzgebot des Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). Demzufolge dürfen die Räume nur dann gegen den Willen der Betroffenen betreten werden, wenn ein richterlicher Beschluss dazu vorliegt, oder eine Straftat oder Gefahr im Verzug vorliegt. Anders als oft behauptet, liegt der Polizei bei Abschiebungen in der Regel kein Durchsuchungsbeschluss vor.
Abschiebungen sind nicht das Ergebnis von Strafverfahren, sondern von aufenthaltsrechtlichen, also Verwaltungsverfahren. Dass es sich um ein „Eindringen“ im Sinne einer Durchsuchung handelt und nicht um ein bloßes „Betreten“ der Zimmer, ist durch das Bundesverfassungsgericht in einer rechtlich vergleichbaren Konstellation höchstrichterlich eindeutig gewertet worden (BVerfG, Beschluss vom 19.11.1999 – 1BvR, 2017/97) und dürfte sich außerdem schon allein aus dem Charakter einer Abschiebung ergeben, die in den allermeisten Fällen gegen den Willen der von ihr Betroffenen durchgeführt wird.
Bei einer Abschiebung liegt auch grundsätzlich keine „Gefahr im Verzug“ vor, da Abschiebungen langfristig geplant und vorbereitet werden müssen.
Zusammenfassung
Wer in einem Übergangswohnheim arbeitet, hat die Aufgabe, die dort Wohnenden unterzubringen, zu betreuen oder zu beraten. Auch bei Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, ergibt sich daraus keine Verpflichtung, bei Abschiebungen mitzuwirken. Die Durchführung von Abschiebungen ist vielmehr Aufgabe der Ausländerbehörden und der Polizei. Unter keinen Umständen ergibt sich allein aus einer vollziehbaren Ausreisepflicht eine Legitimation, die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Unverletzlichkeit der Wohnung zu verletzen oder die Schweigepflicht zu brechen.
Wer in der sozialen Arbeit tätig ist, sich aber zur Erfüllungshilfe des Aufenthaltsrechts macht, handelt – wie oben beschrieben – rechtswidrig. Sammelunterkünfte sind die vorübergehende Wohnung von Geflüchteten. Sie sind keine Anstalten zur Kontrolle, Überwachung, Aufbewahrung oder gar Auslieferung dieser Personen.
Im Übrigen hat sich auch die Annahme, jeder Abschiebeversuch sei rechtmäßig, in der jüngeren Vergangenheit – auch in Bremen – mehrfach als falsch herausgestellt.