Reale Hilfe statt fiktives Alter –
Kinder und Jugendliche schützen

Junge unbegleitete Flüchtlinge müssen sich bundesweit einer sog. Alterseinschätzung unterziehen, wenn Sie ihr Alter nicht glaubhaft machen können (etwa durch Identitätspapiere). Dabei wird direkt vom oder im Auftrag vom Jugendamt auf unterschiedliche, aber weitesgehend zu kritisierenden Art und Weise bestimmt, wer rechtlich als minderjährig oder volljährig zu behandeln ist. Die daraus resultierende „fiktive Altersfestsetzung“ hat weitreichende Folgen für die jungen Menschen. U.a. wird ihnen der Zugang zum Bildungssystem verwehrt.

In Bremen wurden laut Sozialressort (Pressebericht) in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 etwa ein Viertel der „in Augenschein“ genommenen Jugendlichen als volljährig „eingeordnet“. Etwa 75% von Ihnen haben gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt, u.a. weil vorgelegte Dokumente missachtet oder in Zweifel gezogen wurden wie uns Betroffene berichtet haben. Da der Widerspruch keinen Aufschub erwirkt, werden die jungen Menschenfortan wie Erwachsene behandelt und in Bremen umgehend auf andere Bundesländer umverteilt.

Wir kritisieren diese Verfahrenspraxis der Behörden, da sie entgegen der Kinderrechtskonvention vielen jungen Menschen ihre besondere Schutzbedürftigkeit sowie den Zugang zum Jugendhilfesystem verwehren. Stattdessen sind Grundrechte und Hilfebedarfe minderjähriger Flüchtlinge in den Mittelpunkt zu stellen.

Diese Forderung hat unlängst die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DAKJ) und die IPPNW im Anschluss an eine Internationale Fachkonferenz in Berlin am 6./7. Juni 2015 formuliert. Darin heisst es u.a.:
„Durch diese medizinischen Untersuchungen kann lediglich die biologische Reife (Pubertätsstadien, Knochen- und Zahnalter) eingeschätzt werden, nicht jedoch das chronologische Alter. Dieses wird im Gutachten angegeben als wahrscheinliches Alter (teilweise mit Konfidenzintervall), als Mindestalter oder als Wahrscheinlichkeit, minderjährig zu sein. Alle diese Angaben sind jedoch mit einer hohen Ungenauigkeit behaftet, die selten offengelegt wird.
Darüber hinaus ist es ethisch sehr problematisch, dass junge Flüchtlinge ohne medizinische Indikation Röntgenstrahlen oder einer Untersuchung intimer Körperteile ausgesetzt werden, selbst wenn sie dem formal zugestimmt haben. Oft unterschreiben die Betroffenen unter Druck und in Unkenntnis der Tragweite und Bedeutung der Untersuchungen. Dies ist keine wirksame Einwilligung“ (Berliner Erklärung).

Der Bundesverband B-UMF hat zu diesem Thema eine Broschüre aufgelegt, die Rahmenbedingungen nennt, die auch in Bremen zeitnah umgesetzt werden müssten.