Neue Innensenatorin: Eine Chance auf sachlichere Migrationspolitik in Bremen?

Innensenator Mäurer hat im Abgang nachgetreten und seiner SPD in Sachen Migrationspolitik mangelnde AfD-Nähe vorgeworfen. Das ist so menschenrechtsfeindlich wie schlüssig. Denn bis zum Schluss war er vor allem damit beschäftigt, ohne Rücksicht auf Verhältnismäßigkeit und Menschenrechte eine solche rechte Politik durchzusetzen. Die alltäglichen rechtsstaatlichen Pflichtaufgaben der ihm unterstellten Behörden wurden demgegenüber vernachlässigt. Als Mäurers Nachfolgerin wird Eva Högl in dieser Woche ins Amt gewählt.

Zum morgigen Tag der Menschenrechte und vor ihrer Amtseinführung haben wir formuliert,
was zur Wahrung der Rechte von geflüchteten Menschen in Bremen verändert werden kann
und muss:

Einbürgerungsanträge bearbeiten!

Bremer*innen, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wollen, warten derzeit teilweise mehr als zwei Jahre auf einen Bescheid. Eingebürgert wird in Bremen nur noch, heißt es, wer das Amt wegen dessen Untätigkeit verklagt oder sich der gebührenpflichtigen Unterstützung von Anwält*innen bedient. Mehrfach hat die Presse berichtet. In der öffentlichen Diskussion wird oftmals die angeblich hohe Zahl von Anträgen für den Bearbeitungsstau verantwortlich gemacht. Dabei ist es eindeutig die Pflicht der Staatsangehörigkeitsbehörde, alle Anträge zügig zu bearbeiten. Dafür braucht es einfachere Prüfungen, die richtige Prioritätensetzung und mehr Personal.

Kinder und Jugendliche weiterhin erleichtert einbürgern!

Kürzlich ist Bremens ein eigentlich vorbildlicher Erlass zur erleichterten Einbürgerung von jungen Menschen aufgehoben worden. Zur Begründung wurde angegeben, der Erlass sei nicht mit der neuen Rechtslage im Bund vereinbar. Doch das ist falsch! Die jüngsten Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz stehen der weiteren Anwendung des Erlass nicht im Weg, der sich nicht auf den veränderten § 10 StAG, sondern auf § 8 StAG, die UN-Kinderrechtskonvention, das Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit, sowie die EMRK bezieht. Der Erlass dient dem Schutz der Grundrechte von Kindern und Jugendlichen und muss schnellstmöglich wieder hergestellt werden.

Widerspruchsverfahren wieder einführen!

Bremen hat im Sommer 2025 mit einer sehr dünnen und fragwürdigen Begründung stillschweigend einen wichtigen rechtsstaatlichen Schutz einfach gestrichen: Das Widerspruchsverfahren im Aufenthalts- und Freizügigkeitsrecht. Damit wurde Rechtsstaatlichkeit abgebaut, nicht Bürokratie. Das Widerspruchsverfahren muss daher wieder eingeführt werden.

Landesaufnahmeprogramms Afghanistan umsetzen!

Die Frist zur Antragstellung für afghanische Angehörige von Bremer*innen ist vor fast zwei Jahren abgelaufen. Die Verfahren enden aber erst, wenn in einer deutschen Botschaft ein Visum erteilt oder die Erteilung abgelehnt wurde. Diese Verfahren werden derzeit verschleppt. Verantwortlich dafür sind u.a. das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt. Eine hohe zweistellige Zahl von Betroffenen wartet auf einen Termin in einer Botschaft. Bremen muss sich gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, dass diese Visa endlich erteilt werden. Bremen muss zugleich die Verfahren zur Vorabzustimmung hier bis zur Entscheidung offen halten.

Erreichbarkeit des Migrationsamts!

Das Migrationsamt reagiert auf Anträge derzeit nur mit Textbausteinen in denen um Verständnis gebeten wird, dass Rückmeldungen leider nicht möglich seien und man bitte von Nachfragen absehen solle. Wenn das Migrationsamt doch einmal inhaltlich antwortet, setzt es umgekehrt kurze Antwortfristen. Eine persönliche Vorsprache im Migrationsamt ist auch in dringenden Fällen ohne Termin unmöglich. Das führt zu Unsicherheit und Angst, zu Aufenthalten ohne Status und zu Jobverlust oder Verdienstausfällen. Regelmäßig gehen im Amt Unterlagen und Anträge verloren. Mit den Faxgeräten wird gerade die letzte Möglichkeit abgeschaltet, nachweisbar Unterlagen im Amt einzureichen. Das Migrationsamt entscheidet über existentielle Fragen und muss für die Betroffenen zuverlässig und persönlich erreichbar sein.

Kirchenasyl respektieren, Zivilgesellschaft schützen!

Der ein Jahr zurückliegende Angriff des bisherigen Innensenators auf das Kirchenasyl war ein Angriff auf weitgehend schutzlose Dublinflüchtlinge und zugleich auf die solidarische Stadtgesellschaft. Das darf sich nicht wiederholen. Neben den Kirchen behält sich das Innenressort bisher vor, auch in Krankenhäuser, Jugendhilfe, Schulen einzudringen, um symbolisch aber mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen und für die Stadtgesellschaft Abschiebungen durchzusetzen. Bremen soll keine Abschiebestadt werden. Dazu muss das Kirchenasyl als solches respektiert werden. Zudem kann der Erlass 312/20-2 vom 28.10.2020 zum Schutz sensibler Orte überarbeitet werden, was auch der Petitionsausschuss der Bremischen Bürgerschaft kürzlich angeregt hat.

„Landesausländerbehörde“ abschaffen!

Seit 2018 gibt es im Innenressort eine Landesausländerbehörde, die seit neuestem auch für alle Abschiebungen zuständig sein soll. Die Schaffung einer solchen Ausweisungs- und Abschiebeabteilung steht sinnbildlich für die falsche und rassistische Behauptung, Abschiebungen seien herausragend wichtig, sowie eine legitime und wirksame Maßnahme zur Bekämpfung von Kriminalität. Diese Verschiebung des migrationspolitischen Diskurs nach rechts schadet den Betroffenen und der ganzen Gesellschaft. Während das Referat 24 üppig mit Personal ausgestattet ist, schafft es das Migrationsamt gleichzeitig nicht, Menschen mit Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder Einbürgerung diese auch zu bewilligen. Die Landesausländerbehörde gehört abgeschafft.

Keine Lagerhaft in Bremen!

Die Bundesgesetzgebung verabschiedet gerade im Rahmen der GEAS-Umsetzung ein Gesetz, das es ermöglichen oder sogar als Regelfall vorsehen wird, dass Unterkünfte für Geflüchtete de facto zu Hafteinrichtungen werden, betroffen wären auch Kinder und Jugendliche. Bremen hat den Spielraum, diese absurd weitgehende Entrechtung von geflüchteten Menschen nicht anzuwenden und muss diesen Spielraum durch eine Anweisung an die beteiligten Behörden nutzen.