Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon 2025 für den Flüchtlingsrat Bremen

Der Kultur- und Friedenspreis 2025 wurde am 20.09.2025 in der oberen Rathaushalle dem Flüchtlingsrat Bremen verliehen.
Wir dokumentieren die Laudatio des Bremer Human Rights-Aktivist Siaka Konteh in deutscher Übersetzung:

Guten Tag, meine Damen und Herren,
es ist mir eine große Ehre, heute hier zu stehen, wenn dieser angesehene Preis an die wohlverdienten Gewinner – den Flüchtlingsrat Bremen – überreicht wird.
Zunächst möchte ich die Weitsicht der Organisatorinnen würdigen, die die großartige Arbeit anerkannt haben, die der Flüchtlingsrat Bremen seit vielen Jahren leistet.
No justice, no peace. Keine Gerechtigkeit, kein FriedenDies ist eines der Leitprinzipien des Flüchtlingsrats Bremen – und genau deshalb verdient er diese Auszeichnung.

Frieden ist nicht die Abwesenheit von Protest. Es geht nicht darum, Menschen aufzufordern, still zu bleiben, oder diejenigen zum Schweigen zu bringen, die es wagen, ihre Stimme zu erheben. Wahrer Frieden kann nur existieren, wenn es Gerechtigkeit gibt.

Der Flüchtlingsrat Bremen hätte keinen Friedenspreis verdient, wenn er geflüchteten Menschen einfach sagen würde, sie sollten Diskriminierung akzeptieren, weil diese Diskriminierung hier „milder” sei als anderswo. Solange Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken und Schwarze Menschen von der Polizei erschossen werden, ist Frieden noch nicht erreicht.

Ich kann persönlich die Bedeutung der Arbeit des Flüchtlingsrat bezeugen. Als ich 2018 in Bremen ankam, wurde ich im Lager Gottlieb-Daimler-Straße untergebracht – einem Ort, an dem die Bedingungen alles andere als friedlich waren. Das Lager, in dem hauptsächlich Menschen vom Afrikanischen Kontinent untergebracht waren, war überfüllt und unmenschlich.
Wir organisierten uns, um bessere Bedingungen und die Schließung des Lagers zu fordern. Der Flüchtlingsrat stand uns zur Seite – auf der Straße, in unseren Treffen und im Kampf –, der Flüchtlingsrat verstärkte unsere Stimmen und half uns, gegen die zwangsweise Umverteilung irgendwo anders hin zu kämpfen.

In einer Zeit, in der geflüchtete Menschen erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind und Europa seine Türen schließt, öffnet der Flüchtlingsrat Bremen seine Arme.
Er leistet Widerstand gegen das Grenzregime Deutschlands und setzt sich ein für die Rechte aller – immer klar, mutig und konsequent: Nein zu Abschiebungen, Nein zu Massenlagern, Nein zur Schikanekarte und vieles mehr.
Die zahlreichen Kampagnen und antirassistischen Kämpfe, an denen der Flüchtlingsrat beteiligt war, zeigen, dass die Voraussetzungen für eine friedliche Gesellschaft längst nicht erfüllt sind.
Kampagnen wie zum Beispiel der unermüdliche Kampf gegen Massenlager wie die Lindenstraße oder die Turnhallen, deren Schließung der Flüchtlingsrat immer gefordert hat. Die Bedingungen in diesen Lagern sind unmenschlich – keine und keiner sollte auch nur eine Nacht in diesen Lagern verbringen müssen. Oder Kampagnen wie die Unterstützung der Familienzusammenführung für geflüchtete Menschen aus Afghanistan. Oder die tägliche Arbeit des Flüchtlingsrats wie die rechtliche und professionelle Beratung von Geflüchteten und Migrantinnen. Mit ihrer Arbeit werden Menschen empowert, ihre Rechte zu verteidigen und sich in einem komplexen bürokratischen System sowie dem strukturellen und systematischen Rassismus zurechtzufinden.
Der Flüchtlingsrat hat gegen die Einführung der sogenannten „Bezahlkarte“ gekämpft, die eine Schikanekarte ist, weil sie die Freiheit und Würde von geflüchteten Menschen noch weiter einschränkt und hat stattdessen auf Gleichbehandlung und finanzieller Autonomie der Betroffenen bestanden. Vor nicht allzu langer Zeit hat die Stadt Bremen die Unantastbarkeit der Kirche als Schutzraum angegriffen, indem sie versuchte, einen somalischen Geflüchteten aus dem Schutz der Kirche herauszureißen und abzuschieben. Der Flüchtlingsrat verurteilte diese Gewaltmaßnahme klar, hat eine Petition eingereicht und hat sich auch dem zivilen Ungehorsam angeschlossen.
Es ist klar: Wenn Ungerechtigkeit an der Tagesordnung ist, ist Frieden keine Option mehr. Als die Polizei minderjährige Geflüchteten mit Handschellen fesselte und gewaltsam in andere Bundesländer umverteilte, hat der Flüchtlingsrat diese Zwangsmaßnahmen verurteilt und die Rechte der Minderjährigen verteidigt.
Für den Flüchtlingsrat Bremen ist Frieden mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Frieden bedeutet Würde. Frieden bedeutet Freiheit. Frieden bedeutet, dass kein Mensch in Ketten gelegt oder abgeschoben wird – weder nach Gambia, Afghanistan noch sonst wohin.
Frieden bedeutet, dass jeder Mensch frei träumen kann – und die Unterstützung erhält, um diese Träume zu verwirklichen. Wenn wir heute den Flüchtlingsrat ehren, sollten wir uns daran erinnern, dass es in einer idealen Gesellschaft gar keinen Friedenspreis mehr bräuchte. Davon sind wir noch weit entfernt. Ich hoffe, dass eure Arbeit alle hier Anwesenden dazu ermutigen wird, sich offen gegen jede Ungerechtigkeit zu wenden.
Euer Widerstand und euer Engagement haben Leben verändert, viele Menschen inspiriert und uns alle daran erinnert, dass es ohne Gerechtigkeit keinen Frieden geben kann.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung und Danke an Euch!!