Ermittlungsverfahrenwegen wahrheitsgemäßer Angaben – Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln ohne Grundlage gegen binationale Eltern

In Bremen wurden und werden nach Auskunft des Innenressorts und Kenntnis des Flüchtlingsrats strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen vermeintlicher sogenannter missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen geführt, obwohl das Bundesverfassungsgericht und das Landgericht Bremen eindeutig entschieden haben, dass das vorgeworfene Verhalten nicht strafbar ist. Eine beurkundete Vaterschaftsanerkennung ist mit allen Rechten und Pflichten wirksam – eine „bloße Scheinvaterschaft“ gibt es gar nicht und ist eine Erfindung der Behörden. Wahrheitsgemäße Angaben zum Verwandtschaftsverhältnis können überhaupt keine Falschangaben im Sinne des Aufenthaltsgesetzes sein, so die Gerichte.

Das hält Polizei und Staatsanwaltschaft in Bremen nicht davon ab, trotzdem zu ermitteln. Von 2013 bis 2017 verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik mindestens 13 solcher Verfahren. Nachdem das Landgericht Bremen im Mai 2019 die Strafbarkeit in diesem Kontext eindeutig verneint hatte, wurden die Ermittlungen eingestellt, so das Innenressort auf eine Anfrage des Flüchtlingsrates. Uns liegen aber Belege vor, dass dies nicht der Wahrheit entspricht: Es wurde weiter ohne jede rechtliche Grundlage ermittelt.

Familien, in denen nur ein Elternteil deutsch ist oder eine Aufenthaltserlaubnis hat, das andere Elternteil aber nicht, sind mehreren Bremer Behörden anscheinend ein Dorn im Auge. Seit Jahren wird ohne Nachweis eines Schadens ein vermeintlicher Missbrauch mit Vaterschaftsanerkennungen unterstellt, der bekämpft werden müsse. Jüngst wurde dies auch von der MdBB Birgit Bergmann (FDP) sachkenntnislos behauptet.

Zwar gibt es seit 2017 im BGB ein Verbot von so genannten „missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen“, dies ist jedoch notwendigerweise nur präventiv ausgelegt. Beurkunden Notariate oder das Jugendamt eine Anerkennung, so wird der Anerkennende dadurch zum Kindsvater – mit allen Rechten und Pflichten. Der Vorwurf angeblicher Falschan- gaben ist in diesen Fällen deshalb immer falsch, ein Missbrauch wurde durch die zuständigen dokumentierenden Stellen ja gerade verneint.

Das Bundesverfassungsgericht hatte dazu bereits 2013 in einem viel beachteten Urteil unmissverständlich klargestellt: „Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. […] gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten.“ (Entscheidung des BvfG 1 BvL 6/10)

„Offenbar halten Polizei und Staatsanwaltschaft in Bremen dennoch daran fest, ‚Straftaten‘ zu verfolgen, die sie sich nur selbst ausgedacht haben,“ so Holger Dieckmann vom Flüchtlingsrat Bremen. „Das ist diskriminierend, denn bei diesen Ermittlungsverfahren steht schon zu Beginn fest, dass keine Straftat vorliegt.“

Der Flüchtlingsrat fordert die sofortige Einstellung aller dieser Verfahren. Es muss sichergestellt werden, dass zukünftig nicht wieder ermittelt wird. Außerdem muss aufgeklärt werden, ob es möglicherweise zur Verurteilung von Unschuldigen gekommen ist.