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Erlaubt Ihre Hausordnung die Abschiebung Ihrer Nutzerinnen, Klientinnen, Schülerinnen, Patientinnen, Besucher*innen etc. aus den Räumen Ihrer Einrichtung?

Hausordnungen und Hausrecht allein werden nur selten ausreichend sein um eine Abschiebung zu verhindern. In vielen Einrichtungen fehlt es jedoch bisher an der notwendigen Positionierung zu „Abschiebemaßnahmen“ in den eigenen Räumen. Wir machen einen Formulierungsvorschlag.

Wie viele andere Orte auch, wird Bremen gerade in Richtung einer „Abschiebegesellschaft“ verändert.

Medien, Politik und Behörden verbreiten und verstärken die rassistische Lüge, Abschiebungen (und andere Repressionen gegen Geflüchtete) seien „notwendig“, oder eine Lösung gesellschaftlicher Probleme und trotz der damit einhergehenden Gewalt und Menschenrechtsverletzungen legitim. Teil und Folge dieser Politik ist es, dass reale Probleme (wie u.a. Klimakatastrophe, marode Infrastruktur, breite Armut und extremer Reichtum, patriarchale Gewalt) nicht bearbeitet werden. Regierende erhoffen sich offenbar, dass sie die bestehenden Machtverhältnisse stabilisieren können, indem sie rassistisch nach unten treten, tragen aber tatsächlich zur Stärkung von Faschist*innen bei.

Abschiebungen werden als legitim und notwendig dargestellt. Tatsächlich sind sie gewaltsam.1 Es werden bewusst und vorsätzlich grundlegende Rechte der Betroffenen verletzt.2 Sie tragen nicht zu rechtsstaatlichen, sondern zu autoritären Verhältnissen bei. Und selbstverständlich kann mit Rassismus keine Kriminalität bekämpft werden. Abschiebungen sollen als „normal“ erscheinen. Polizei und Ausländerbehörde sollen dafür immer und überall Zugriff und Priorität haben. Das untergräbt nicht nur Grundrechte der Betroffenen, sondern auch Grundlagen der Zivilgesellschaft.

Diese muss dies aber weder mittragen noch still hinnehmen.

Alle Einrichtungen und Organisationen im weitesten Sinn – z.B. Arztpraxen, Krankenhäuser, Jugendhilfeeinrichtungen, Sportvereine, Kirchen‌, Beratungsstellen, Behörden, etc. können und sollten es sich selbstverständlich verbitten, zu einem Teil einer „Abschiebegesellschaft“ gemacht zu werden. Sie können es untersagen, dass ihre Räume zum Zweck von Abschiebungen betreten oder durchsucht werden, wenn kein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Das kann z.B. in einer Hausordnung festgelegt sein und durch die Ausübung des Hausrechts oder in anderer Form umgesetzt werden.

Die sachlichen und fachlichen Gründe für ein solches Verbot liegen auf der Hand. Wenn einige Sporttreibende, Patient*innen, Schüler*innen usw. jederzeit gewaltsam aus der Einrichtung verschleppt werden können, kann sich dort niemand sicher fühlen und ein angemessener Betrieb ist nicht möglich. Dies ist in aktuellen Fällen auf negative Weise sehr anschaulich geworden,3 was u.a. den deutschen Ärzt*innentag kürzlich dazu veranlasst hat, Abschiebungen aus medizinischen Einrichtungen für unzulässig zu erklären.4

Papier ist bekanntlich geduldig. Deswegen ist es wichtig, dass eine solche Regelung auch „gelebt“ wird: Sie sollte Teil oder Ergebnis einer möglichst breiten organisationsinternen Diskussion über die eigene Rolle bei Abschiebeversuchen sein. Wer immer an der Tür steht, sollte die neue (?) Hausregel kennen und wissen, dass und wie Polizei und Ausländerbehörde – zumindest vorerst – zurückgewiesen werden sollen und können.

Selbstverständlich kann eine Hausordnung nicht garantieren, dass die Polizei sich nicht – unter Verletzung oder auch im Einklang mit Gesetzen – darüber hinwegsetzt. Es sollte auch nicht von einzelnen Personen erwartet werden, dass sie die Hausregel unbedingt gegenüber Behörden durchsetzen. Jedoch kann eine klar formulierte Regelung die Wahrscheinlichkeit verringern, gegen den eigenen Willen und durch Passivität oder fehlende Information zu Abschiebehelfer*innen zu werden.

Die Untersagung von Abschiebungen in den eigenen Räumen erfordert noch nicht einmal einen Konsens über die Ablehnung jeder Abschiebung. Zunächst geht es darum, die eigene Einrichtung oder Institution vor den erheblichen Störungen zu bewahren, die entstehen, wenn Abschiebungen jederzeit und überall als vorrangig gegenüber den Interessen der Zivilgesellschaft angesehen werden.

Unser Formulierungsvorschlag für eine „Hausregel“ / für eine Ergänzung der Hausordnung:

„Um einen geregelten und möglichst gewaltfreien Betrieb unserer Einrichtung zu ermöglichen, ist es Polizei und Ausländerbehörden grundsätzlich untersagt, den Geltungsbereich dieser Hausordnung zum Zwecke der Durchführung oder Vorbereitung von Abschiebungen zu betreten oder zu durchsuchen. Sofern ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss erlassen wurde, ist dieser vor Beginn der Durchsuchung einer Person mit Hausrecht vorzulegen und von dieser zu prüfen. Die anschließende Durchsuchung ist auf die im Durchsuchungsbeschluss genannten Räume zu beschränken.“

Jede Einrichtung, die sich selbst diese oder eine ähnliche Regelung gibt, ermutigen wir dazu, dies auch öffentlich zu kommunizieren und uns mitzuteilen.

Für Rückfragen sind wir ansprechbar: hausrecht@fluechtlingsrat-bremen.de

1https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/afghanen-abschiebung-kirchenasyl-polizei-kritik-100.html
http://docs.dpaq.de/14814-cpt-bericht.pdf
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/abschiebungen-europarat-kritisiert-deutschland-bericht-des-anti-folter-komitees-cpt-a-1266507.html

2 https://www.lsfw.de/statistik.php

3 https://www.fluechtlingsrat-lsa.de/2025/05/pressemittelung-zur-abschiebung-aus-schule-leitfaden-bei-drohender-abschiebung-fuer-bildungseinrichtungen/
https://www.seebruecke.org/aktuelles/34-jaehriger-sucht-hilfe-in-klinik-und-wird-gewaltvoll-abgeschoben-stop-deportations
https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/bremer-senat-versucht-das-kirchenasyl-zu-brechen/
https://www.weser-kurier.de/bremen/erlass-regelt-polizeieinsaetze-in-bremen-wenn-es-um-abschiebung-geht-doc7es8xf3q0mg1j78a77l3

4 https://www.aerzteblatt.de/news/arzteschaft-gegen-abschiebungen-aus-medizinischen-einrichtungen-1ef56aed-46e5-4a6a-a512-21bb77afe198