Abstand halten oder gemeinsam wirtschaften?
Beides geht nicht – Leistungskürzungen stoppen!

Pressemitteilung vom 27.10.2020

Die Sozialämter im Land Bremen kürzen Asylsuchenden und Geduldeten die ohnehin schon zu geringen Leistungen um weitere ca. 10%. Einander fremde Alleinstehende sollen Geld einsparen können, in dem sie trotz Coronapandemie und Abstandsgebot gemeinsam wirtschaften, so die Begründung.

Der Flüchtlingsrat Bremen hat heute das Sozialressort und die Mitglieder der Deputation für Soziales dazu aufgefordert, die Kürzungen wegen der Pandemieeinschränkungen per Weisung auszusetzen.

Seit Sommer 2019 sieht das Asylbewerberleistungsgesetz vor, dass alleinstehende Leistungsbezieher*innen, die in einer Gemeinschaftsunterkunft oder Erstaufnahmestelle wohnen, in die Regelbedarfsstufe 2 herab- gestuft werden. Sie erhalten damit monatlich um bis zu € 34 geringere Leistungen. Die grundrechtswidrige, realitätsferne und zynische Begründung der Gesetzgeber*innen lautete, einander fremde Bewohner*innen einer Gemeinschaftsunterkunft könnten wie ein Haushalt gemeinsam wirtschaften und hätten dann weniger Ausgaben als Alleinstehende.

Der Flüchtlingsrat Bremen lehnt das Asylbewerberleistungsgesetz grundsätzlich ab und fordert gemeinsam mit vielen anderen Organisationen seit langem dessen ersatzlose Streichung. Leistungen unterhalb des zu niedrig definierten Existenzminimums sind für die Betroffenen schikanös und eine fortdauernde Grundrechtsverletzung.

Die Sozialämter im Land Bremen setzen die Kürzungen mit Hinweis auf das verschlechterte Gesetz bereits um. Seit Ende April 2020 bestimmt die Corona-Verordnung des Landes Bremen jedoch ausdrücklich, dass auch in Übergangswohnheimen und der Aufnahmestelle das Abstandsgebot einzuhalten ist. Es wird also von den Asylsuchenden und Geduldeten einerseits gefordert, dass sie gemeinsam aus einem Topf wirtschaften wie eine Familie oder Wohngemeinschaft, andererseits aber, dass sie zueinander Abstand halten.

„Die Behauptung, Menschen die ansonsten keinerlei Bezüge zueinander haben, könnten in allen Lebensbe- reichen wie eine Familie gemeinsam wirtschaften und so 10% ihrer Kosten einsparen, ist so absurd wie dis- kriminierend“, sagt Holger Dieckmann vom Flüchtlingsrat Bremen dazu, „eine Weisung, die Kürzungen zu- mindest für die Dauer der Pandemie auszusetzen ist sachlich geboten, rechtlich möglich und lange überfällig.“

In der Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen räumte selbst die Bundesregierung ein, dass die Regelbedarfsstufe 1 angewendet werden könne, wenn die angebliche Möglichkeit des gemeinsamen Wirtschaftens aus Gründen des Infektionsschutzes erheblich eingeschränkt ist.

In mindestens einem Bundesland gibt es bereits eine entsprechende Weisung des zuständigen Ministeriums. Das Bremern Sozialressort hält jedoch bisher an den Leistungskürzungen fest.

Das Bremer Sozialressort hatte die Bewohner*innen der Erstaufnahmestelle bereits im April d.J. beim Schutz vor Corona diskriminiert und war damit hauptverantwortlich für etwa 200 Infektionen in der Lindenstraße.

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